Prof. Dr. Alfons Schnitzler ist Direktor des Instituts für Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie und Leiter des Zentrums für Bewegungsstörungen und Neuromodulation der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit Störungen der Basalganglien, zu denen die Parkinson-Krankheit gehört. Im Gespräch anlässliches des Welt-Parkinson-Tages berichtet er, welche Fortschritte es in der Behandlung und der aktuellen Forschung zu Parkinson gibt. Außerdem verrät er, was das Schönste sowie die größte Herausforderung bei seiner Arbeit ist.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Parkinson und haben sich diese verändert?
Als ich studiert habe, gab es deutlich weniger Möglichkeiten, die Krankheit zu behandeln. Man wusste auch viel weniger über die Erkrankung, wie sie entsteht, welche Rolle genetische und Umweltfaktoren spielen. In der Behandlung sind große Fortschritte erzielt worden, zum Beispiel die Hirnschrittmacher-Therapie. Diese ist in den 90er Jahren entstanden, als ich Assistenzarzt und Oberarzt war. Wir waren an vielen Studien dazu beteiligt. Diese Art der Behandlung können wir bei Parkinson und anderen neurologischen Bewegungsstörungen anwenden. Dabei werden Elektroden in bestimmte Regionen des Gehirns implantiert. Durch elektrische Stimulation versuchen wir, das durch die Erkrankung gestörte Hirnnetzwerk zu normalisieren. Dieser Eingriff ist insofern gezielter als beispielsweise die Gabe eines Medikamentes, das in den ganzen Körper und das gesamte Gehirn gelangt. Die Elektroden implantiert man genau da, wo dann die elektrischen Impulse ihre Wirkung erzielen sollen. Elektrische Impulse entsprechen sozusagen der Sprache des Gehirns. Die Effekte können absolut dramatisch sein. Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wenn man den Hirnschrittmacher einschaltet und der Patient innerhalb von wenigen Sekunden aufhört zu zittern und sich wieder weitgehend normal bewegen kann.
Was ist für Sie das Schönste an Ihrer Arbeit?
Ich habe das Privileg, ein vorklinisches Institut und eine klinische Abteilung leiten zu dürfen. Die Vielseitigkeit meiner Arbeit ist für mich besonders reizvoll. Einerseits ist die Tätigkeit als Arzt, die Betreuung von Patient:innen, etwas sehr Schönes und sehr befriedigend. Andererseits gibt die universitäre Umgebung mir die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Tätigkeit, um die Entstehung von Krankheiten weiter aufzuklären und deren Behandlung stetig zu verbessern. Und beides, sowohl die ärztliche Tätigkeit als auch das wissenschaftliche Arbeiten, den Studierenden zu vermitteln, macht ebenfalls viel Freude.
Was ist für Sie die größte Herausforderung an Ihrer Arbeit und bei Ihrer Forschung?
Eine große Herausforderung hinsichtlich der Parkinson-Krankheit ist, dass wir diese nach wie vor nicht heilen können. Die Diagnose ist für die Patient:innen daher zunächst oft ein Schock. Wichtig ist aber, dass wir durch die symptomatische Therapie bei den meisten Parkinson-Patienten über Jahre und Jahrzehnte eine gute Lebensqualität aufrechterhalten können. Die Lebenserwartung von Parkinson-Patienten ist heute nicht mehr wesentlich reduziert. Wir wissen heute auch viel mehr über die molekularen Mechanismen der Erkrankung und verstehen besser, warum Nervenzellen, die Dopamin produzieren und für die Beweglichkeit zuständig sind, bei Parkinson-Patienten schneller als beim gesunden Menschen absterben. Das hat dazu geführt, dass wir jetzt in klinischen Studien Medikamente prüfen, die anders als bisherige Medikamente nicht nur die Symptome beeinflussen, sondern den Verlauf der Krankheit abschwächen sollen. Irgendwann kann das Fortschreiten hoffentlich ganz gestoppt werden.
Was würden Sie mit Ihrer Forschung gerne erreichen?
Mit unserer Forschung wollen wir allgemein einen Beitrag zum besseren Verständnis menschlicher Hirnfunktionen liefern und speziell eine Verbesserung der Behandlung von Parkinson Patienten erreichen. So versuchen wir zum Beispiel derzeit die Hirnschrittmacher-Therapie weiter zu optimieren und dadurch die Lebensqualität der Patienten langfristig zu verbessern.
Welchen Rat haben Sie für Studierende, die in der Neurologie arbeiten wollen?
Die Neurologie ist ein vielseitiges, spannendes und ein sich schnell entwickelndes Fachgebiet mit rasanten Fortschritten in der Diagnostik und der Therapie. Es beschäftigt sich mit dem komplexesten Organ des Menschen und hat Schnittpunkte zu vielen anderen Fächern. Die Anamnese und die klinisch-neurologische Untersuchung spielen in der neurologischen Diagnostik eine herausragende Rolle und sollten daher frühzeitig und sorgfältig erlernt und in der Praxis stetig weiterentwickelt werden. Man sollte Leidenschaft für das Fach und Engagement mitbringen, um die herausfordernde Arbeit in der Neurologie mit Freude zu bewältigen.
Was macht für Sie einen guten Arzt oder eine gute Ärztin aus?
Ein guter Arzt zeichnet sich durch Empathie und Mitgefühl aus. Er sollte ein offenes Ohr für die Anliegen seiner Patient:innen haben und sich Zeit nehmen, sie zu verstehen. Wichtig sind selbstverständlich eine hohe fachliche Kompetenz, klare Kommunikation und gute Teamfähigkeit. Insgesamt zeichnet sich ein guter Arzt durch die Fähigkeit aus, eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten, die auf die Bedürfnisse der Patient:innen eingeht.
Wie sind Sie dazu gekommen, menschliche Hirnfunktionen und deren Störungen zu erforschen?
Das Interesse für das Gehirn und die Gehirnfunktionen ist bei mir schon in den ersten Semestern des Medizinstudiums entstanden. Ich fand es faszinierend, dass das Gehirn sämtliche menschliche Verhaltensweisen und Funktionen steuert, wie zum Beispiel Bewegungen, Denken, Gefühle, Erinnerungen und das Bewusstsein. Das hat mich dazu bewogen, nach meinem vorklinischen Studium von Aachen nach Kiel zu wechseln, um dort in der Neurophysiologie eine Doktorarbeit zu machen. Danach wusste ich, dass ich im Feld der klinischen Neurowissenschaften ärztlich tätig sein will und habe daher eine klinische Weiterbildung in der Psychiatrie und in der Neurologie absolviert und mich dann dort weiter auf die neurologischen Bewegungsstörungen spezialisiert.
Was haben Sie aus Ihrer Zeit im Ausland mitgenommen?
Ich kann nur empfehlen, Erfahrungen an verschiedenen Standorten zu sammeln, ob im Ausland oder auch innerhalb von Deutschland. Das ist für die ärztliche und wissenschaftliche Tätigkeit aber auch allgemein immer eine Bereicherung. Ich persönlich habe durch Auslandsaufenthalte in Kanada und Finnland neue wissenschaftliche Methoden erlernen können, die für meine weitere Laufbahn ganz wesentlich waren. Wichtig waren auch die Knüpfung neuer persönlicher Kontakte und der Aufbau wissenschaftlicher Netzwerke.